In den letzten Jahren waren die Umbrüche im Marketing so radikal wie nie zuvor. Das schreiben wir laufend. Aber warum ist das so? Unser aller Mediennutzungsverhalten hat sich durch technologische Möglichkeiten und vor allem durch die permanente Online-Verfügbarkeit stark verändert. Ein derartig großer Veränderungsschritt war zuletzt im 15. Jahrhundert die Erfindung des Buchdrucks. Da darf man schon auch mal die klassischen 5 Ps im Marketing mal hinterfragen…
Eine der wenigen Säulen, die diese Veränderungen überstanden haben, ist das in den 60er Jahren etablierte Konzept der 4 (später 5) Instrumente im Marketing-Mix, die sogenannten 5 Ps: Product, Price, Place, Promotion und dann noch People.
In den vergangenen Jahren wurden dann durch verschiedene Ökonomen und Autoren weitere Ps zu dieser Definition hinzugefügt, z.B. Processes, Physical Facilities (vor allem beim Dienstleistungsmarketing zum Unterschied vom Produktmarketing, für das die ursprünglichen 4 Ps entwickelt wurden).
Neuere Theorien versuchen sich nun in weiteren Uminterpretationen der 5 Ps. Diese lauten nun etwa:
- Purpose – „Wie entwickelt und kommuniziert man Haltung“? Guter Punkt, wie wir finden. Ein Thema, das mit der sich zuspitzenden Klimakrise und der größer werdenden sozialen Kluft von den Unternehmen deutlich mehr „Meinung“, „Haltung“ verlangt.
- Platform – „Wie schafft man ein digitales Ökosystem ohne „Inseln“, das auf allen Kanälen die gleiche Geschichte erzählt?“
- PR – „Wie erzeugt man Aufmerksamkeit in einem stark fragmentierten, medialen Umfeld?“
- Performance – „Wie stellt man sicher, dass die eigene Botschaft durchdringt?“
Ist es sinnvoll (und Erfolg versprechend) die klassischen 4 Ps in diese Richtung neu bzw. umzudeuten?
Im Marketing geht es um die zielgerichtete Befriedigung von Kundenbedürfnissen und das passiert in den meisten Fällen mit Produkten, auch wenn diese unterschiedlich ausgestaltet sein können (physisch, virtuell, Dienstleistung, real, digital, …). Der Preis ist ebenfalls unersetzlich, weil der Zweck von den meisten Unternehmen ist es, Gewinn zu machen und dazu muss das Produkt zu einem marktadäquaten Preis vermarktet werden. Auch „Place“ hat mehr denn je seine Gültigkeit. Denken wir nur an den Wandel im Handel und das Web, das sich zum größten Marktplatz entwickelt hat. Und um die anderen 3 Ps anzukündigen/ zu verbreiten/ bekannt zu machen, braucht es Promotion. Diese wird in klassischen physischen und digitalen Medienkanälen umgesetzt. Das 5. P „People“ ist heute DAS bestimmende Element. Die KonsumentInnen und KundInnen sind wesentlich weniger berechenbar und homogen geworden, es sind heute vielmehr agile UserInnen, die man ganz gezielt über verschiedenste Kanäle und Botschaften adressieren muss.
Welche (Neu)Interpretationen wären dennoch wichtig (und warum)?
Die Neuinterpretationen der „klassischen Ps“ sind höchstens Ergänzungen, weil ohne die ursprünglichen 5 Ps jeglichen Marketingmaßnahmen die Grundlage entzogen wird. Die 5 Ps sind die „Pflicht“ im Marketing. Pflichten mögen ja vielleicht oft als lästig, langweilig und altmodisch empfunden werden. Dennoch: Wir halten da wenig von einem Fokus auf fancy Kür-Themen.
Es gilt doch eigentlich den Fokus auf die Befriedigung der Kundenbedürfnisse nicht aus den Augen zu verlieren – und das ist weit wichtiger, als sich auf Hype-Themen und Nebenschauplätze aufzuhalten nur um seine Innovationskraft zu dokumentieren.
Die oben genannten Fragen zu Purpose, Platform, PR und Performance sind goldrichtig und wichtig.
Ein gut umgesetztes Beispiel aus unserer Praxis? Zum Beispiel Datenmodelle, die den gesamten Mediamix anhand der, im Unternehmen vorhandenen Daten derart optimieren, dass mit den vorhandenen Mitteln das Optimum bei den wichtigsten Unternehmenskennzahlen (z.B. Umsatz) aus dem Marketing Mix herausgeholt werden kann.
Dadurch werden z.B. folgende Fragen beantwortet:
- Welchen Anteil am Umsatz (Leads, …) haben Marketingaktivitäten?
- Welcher Werbekanal trägt wieviel zum Umsatz bei?
- Wie hoch ist der Baseline Umsatz, der ohne Marketing erzielt wird?
- Welchen Return on Investment haben Marketingaktivitäten gesamt?
- Welchen Return on Investment hat welcher Werbekanal?
- Wo ist der Grenznutzenbereich pro Werbekanal?
- Wie ist der optimale Mediamix für den definierten KPI (z.B. Umsatz)?
Man muss also – aus unserer Sicht – nicht alles neu erfinden, aber es macht Sinn es laufend zu hinterfragen und so gesehen sind die „neuen“ Ps wert näher betrachtet zu werden, aber keinesfalls lösen sie die bisherigen Ps ab.