Über die Angst sich zu hinterfragen

15. Oktober 2018
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15. Oktober 2018 Carina Hollerer

Wir wissen, wovon wir reden. Warum? Wir waren lange in namhaften Unternehmen Marketer und kennen die täglichen Problemstellungen. Hier sehr persönliche Gedanken dazu…

Hmmm, wie ging es mir damals?

Marketing ist ein Terrain mit vielen Bezugspunkten und „sensiblen Rädchen“ an denen es laufend zu drehen gilt. Ich wusste, dass ich meinen Mediamix in den vergangenen Jahren nur nach Bauchgefühl bzw. bestenfalls nach „educated guesses“ zusammengestellt hatte. Mein „Verteilschlüssel“ basierte auf dem Mediennutzungsverhalten der Konsumenten und dieses hatte sich – während meiner Berufsjahre – deutlich gewandelt. Mein Gefühl sagte mir: Wir hätten zu viel Printbudget allokiert und deutlich zu wenig Online in unserem Mediamix. Bei Radio und TV nahm ich an, dass der Anteil passt.
Was ich nicht wusste, waren die Verhältnismäßigkeiten: Wie viel ist „zu viel“ Print im Vergleich zu „zu wenig“ Online?

In diesem Job sollte man immer seine Entscheidungen challengen können und wollen, sich seiner Verantwortung für (sehr viel) Marketingbudget bewusst sein und dieses optimal einsetzen. In meinem Fall kam der Punkt, wo mehr Prospekte verlangt wurden, weil damit höhere Werbekostenzuschüsse zu erzielen wären, als mit Digitalwerbung. Auch nach mehr lokaler Printwerbung wurde verlangt, weil hier der lokale WKZ für das Betriebsergebnis wichtig war. Dieser Zugzwang verstärkte sich Jahr für Jahr. Mir war klar, dass ich eine bessere Basis für die Entscheidungsfindung schaffen musste.

Klarheit vor Harmonie

Als Basis einer guten Entscheidung bieten sich im Marketing allemal Daten an. Und in Zeiten der zunehmenden Digitalisierung sind ausreichend gute Daten in den Unternehmen vorhanden. Was selten vorhanden ist, ist eine neutrale Betrachtung, Analyse, Triangulation. Mein Weg zur Klarheit sollte durchaus meine bisherige Arbeit und Professionalität in der Planung hinterfragen u.z. durch ein Datenmodell, dass die Verteilschlüssen, Verhältnismäßigkeiten hinterfragte. Die Kernfrage: Ist der aktuelle Mediamix der optimale Mix für den maximalen Erfolg?
Wenn man ehrlich zu sich selbst ist, fällt es wohl eher in die Kategorie Zufall, wenn es einem Marketer gelingt, 5-6 klassische Kanäle und bis zu 10 digitale Kanäle in einem optimalen Verhältnis zu planen – ohne mit „Big Data“ zu arbeiten.

Es gibt mehr Menschen, die kapitulieren, als solche, die scheitern.

Mein erster Anlauf, ein Datenmodell im Unternehmen durchzuführen, scheiterte am internen Widerstand. Der Erfolg war da, der Leidensdruck gering, warum soll man eine durchaus größere Summe für einen ungewissen Erkenntnisgewinn ausgeben*. Und: Ein detaillierterer Blick würde zudem die eigene WKZ-Strategie in Frage stellen. Allesamt ungeliebte Diskussionspunkte, die keiner in seinem daily business haben will. Oder doch?

*Ich nehme gleich vorweg: Man sollte besser „investieren“ schreiben, denn diese Kosten amortisieren sich rasch vielfach wieder.

Was ein guter Marketer heute braucht ist Beharrlichkeit und cojónes. Ich ließ also nicht locker und stellte ein Jahr später mein Big Data Modell vor. Bis zu einem gewissen Grad war das sehr verwegen. Aber: Ich habe mich abgesichert und im Vorfeld schon kommuniziert, dass ein deutlich anderer Mix als Ergebnis rauskommen wird.

Nun lag er also am Tisch, der „optimale Mix“ laut Datenmodellierung. Ich hatte operativ schnell die Weichen zur Implementierung gestellt, denn es wäre kaufmännisch fahrlässig gewesen, wider besseres Wissen mit einem falschen Mediamix zu agieren. Von der Geschäftsführung wurde ich zur Verantwortung verpflichtet, dass die prognostizierten Umsatzziele trotz eines geringeren Mediabudgets erreicht werden. Und: Ein Teil des optimierten Budgets wurde ins Ergebnis gepackt.

Nachträglich kann ich nun mit etwas Abstand sagen, es war dies wohl mein spannendstes Jahr in all meinen Berufsjahren. Und: Es hat geklappt. Absolut alle Ziele wurden mit deutlich reduziertem Budget erreicht. Ich war „unantastbar“: Keiner konnte in den Mediamix eingreifen, weil damit ein Mix umgesetzt worden wäre, der nicht dem maximalen Umsatz gedient hätte. Schön. Endlich.